Samstag, 22. Juli 2017

Wahlprogramm 7.3

7.3 Kinder brauchen beide Eltern: Allein erziehen ist kein Idealfall


Die Anzahl traditioneller Familien in Deutschland ist seit vielen Jahren rückläufig – die Zahl sogenannter „Alleinerziehender“ hat in den letzten Jahren dagegen stark zugenommen. Für Alleinerziehende und Kinder bedeutet diese Lebenssituation ein überdurchschnittliches Risiko, in relativer Armut zu leben. Trotz alarmierender Erkenntnisse über die Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung sprechen sich nahezu alle Parteien für eine bedingungslose Förderung Alleinerziehender aus. Eine Differenzierung, ob diese Lebenssituation schicksalhaft, durch Selbstverschulden oder auf Grund eigener Entscheidungen zustande gekommen ist, findet nicht statt. Die Entscheidung für die Lebensform „alleinerziehend“ ist Privatsache – für eine daraus resultierende Bedürftigkeit haftet jedoch die Solidargemeinschaft.

Die AfD möchte Alleinerziehenden helfen, ein eigenverantwortliches Leben zu führen. Sie ist jedoch gegen jede finanzielle Unterstützung von Organisationen, die „Einelternfamilien“ als normalen, fortschrittlichen oder gar erstrebenswerten Lebensentwurf propagieren. Der Vorteil einer besonderen Unterstützung durch die Solidargemeinschaft sollte nur denjenigen Alleinerziehenden gewährt werden, die den anderen Elternteil nicht aus der Teilhabe an der Erziehungsverantwortung und praktischen Erziehungsleistung hinausdrängen.



Analyse:


Möglicherweise verdrängen die Verfasser des Wahlprogramms der AfD (wie so viele andere Dinge), dass Eltern, die sich aus Jux und Tollerei von ihrem Ehepartner trennen, relativ selten sind, und es in der Regel triftige Gründe gibt, die ein Elter dazu treiben, sich vom anderen Elter zu trennen? Häusliche Gewalt ist zum Beispiel einer dieser gewichtigen Gründe. Man kann davon ausgehen, dass es für ein Kind wesentlich förderlicher ist, von einem einzelnen Elter aufgezogen zu werden, anstatt es der latenten Gefahr auszusetzen, zusehen zu müssen, wie ein Elter ständig das andere prügelt oder sonstwie misshandelt. Das schließt verbale Gewalt mit ein, die schnell auf den Sprachschatz eines heranwachsenden Kindes abfärbt. Ebenso kann ein Elter schnell zum Alleinerziehenden werden, wenn das andere exzessiver Alkohol- oder Rauschgiftsucht anheim fällt, oder plötzlich durch einem Unfall oder unerwartete Krankheit verstirbt. Es gibt also weitaus mehr Gründe, die für den Verzicht auf ein Elter sprechen als solche, die dagegen sprechen.

Und selbst dann, wenn eine erhebliche Schuld vorliegen würde, wäre es nach deutschem Recht nicht möglich, zwei Eltern, die sich spinnefeind sind, durch unmittelbaren Zwang zum Zusammenleben zu verpflichten, da dieser Zwang das Selbstbestimmungsrecht von mindestens einem Elter erheblich verletzen würde. Wie stellt die AfD sich also vor, etwas Alltägliches wie die Trennung zweier Partner gesetzlich unterbinden zu wollen, und warum sollte ein erzwungenes Zusammenleben der Eltern dem Kindeswohl zuträglich sein? Abgesehen davon müsste der Zwang ja direkt ausgeübt werden, was die Abstellung einer Aufsichtsperson erforderlich macht, die mehr Kosten verursacht, als man mit der Streichung des Unterhalts eines alleinerziehenden Elters einsparen würde.

Einmal mehr also eine Schlagworthülse mit vielen markigen Forderungen, die einer praktischen Überprüfung nicht standhalten. Im Endeffekt versucht die AfD hier, Ehen durch Androhung des Verlustes der Lebensgrundlage mit staatlicher Gewalt zusammen zu halten. Dass dieses Ansinnen nur in einer Diktatur realisiert werden könnte, da es eines demokratischen Rechtsstaates unwürdig ist, das Zusammenleben von (Ehe-)Partnern zu erzwingen, sollte einem halbwegs vernünftigen Menschen eigentlich sofort bewusst werden, wenn er Überlegungen zum Thema Alleinerziehende anstellt. Was - den Ausführungen des Wahlprogramms zufolge - bei der AfD wohl minimal anders (alternativ?) gehandhabt wird...

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